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Kindheitsträume, Lebenswünsche: Der imaginäre Stein der Erinnerung



Die Weihnachtszeit ist eine ganz besondere Zeit. Sie weckt oft vergessene Erinnerungen aus unserer Kindheit, fast so, als ob sie ein Tor aufstößt. Zu keiner anderen Zeit im Jahr blicken wir so oft zurück und denken an die Vergangenheit, an die vergangenen Feste. Wir sehen uns als Kind, reisen durch die Jahre und denken an Menschen, die leider nicht mehr bei uns sind. Viel Freude und oft auch Wehmut schwingen mit.


Lassen wir uns inmitten von all dem Trubel, dem Konsum, den oberflächlichen Unwichtigkeiten auf diese Erinerungen ein, können wir einen kleinen Schatz für uns heben. Denn wie genau erinnerst du dich an deine Träume, Wünsche und Interessen, die du als Kind hattest? Im Erwachsenenleben scheint diese Zeit oft so unglaublich weit entfernt zu sein, dass es schwer fällt, sich an Einzelheiten zu erinnern.


Manchmal, wenn wir in alten Fotos stöbern, sind diese Erinnerungen wieder für einen Moment da. Meistens sind wir jedoch mit unseren täglichen Verpflichtungen so beschäftigt und die Jahre verstreichen, ohne dass wir bewusst zurückschauen. Dabei können positive Erinnerungen eine unglaubliche Kraft entfalten und uns heute in der Gegenwart dabei helfen, an unsere Ressourcen anzuknüpfen und neue Wege zu finden.



Dieser Beitrag ist das Türchen 16 von meinem Blog Adventskalender 2023. In diesem Blogartikel geht es um genau diese positiven Erinnerungen, die ihre Fühler aus der Kindheit zu uns ausstrecken und wie sie uns auch im Erwachsenenleben noch inspirieren können. Denn wer weiß, vielleicht steckt in unseren Träumen von damals eine Lösung für unsere heutigen Herausforderungen?





Theodor Fontane und der imaginäre Stein


Der Auslöser für diesen Artikel war für mich das nachfolgende Zitat von Theodor Fontane, das mir zufällig beim Erstellen eines Montagsfunkelns begegnet ist. Sehr bildhaft beschreibt er in seinen Zeilen dieses Gefühl vom zufälligen Wiederfinden seiner verborgenen Wünsche. Ein schöner Gedanke, dass es nie zu spät ist, unsere Kindheitswünsche, Kindheitsträume wiederzuentdecken und ihnen nachzugehen.



Doch lies selbst:


Manche Wünsche haben wir in der Kindheit begraben, still unter einen Stein gelegt. Lange Zeit haben wir den Stein noch heimlich besucht, bis wir den Wunsch und den Stein endlich vergaßen. Eines Tages aber kommen wir zufällig an diese Stelle im Garten vorbei und entdecken: Der Stein lebt, Moos und Gras wachsen darauf.

Theodor Fontane (1819 - 1898)


Diese Umschreibung des "zufällig Vorbeikommens" gefällt mir sehr. Denn genau so ist es oft im Leben: Ein Gedankenblitz gibt uns eine kurze Erinnerung an ein vergangenes Ereignis oder Gefühl. Meist vergeht der Moment unbemerkt, ohne dass wir zugreifen und ihn festhalten. Doch manchmal schlägt dieser kleine Moment einen ganz bestimmte Saite in uns an und wir sehen und spüren doch genauer hin.



Erinnerungen an dein jüngeres Selbst


Wenn du dich bewusst erinnerst, gibt es da vielleicht Wünsche, Träume oder Interessen, die du als Kind hattest? Vielleicht hast du sie auch unter so einen imaginären Stein gelegt und alles irgendwann vergessen, während du dich dem ernsten Erwachsensein zugewandt hast? Damit meine ich besonders Dinge, die dir einfach Freude bereitet haben. Das kann eine Sportart sein, ein Hobby oder ein bestimmtes Buchthema sein. Wichtig ist nicht, dass das, an was du dich erinnerst, besonders toll oder sinnvoll sein muss. Es soll einfach eine Erinnerung sein, die dich froh macht oder einen Augenblick schmunzeln lässt.


Als Kinder hatten wir noch eine unbeschwerte Gedankenwelt und konnten uns vorstellen, alles zu sein und alles zu tun, was wir wollten. Unsere Interessen waren ganz ursprünglich und unseren Neigungen entsprechend, sie waren nicht auf Leistung und Gewinn ausgerichtet. Sie waren noch nicht gestutzt und gerade gezogen nach Normen und Regeln, die auf uns einwirken. Wir waren noch nicht in dem Korsett der Bewertung gefangen, unser innerer Kritiker war noch "offline" und nicht maßgeblich für uns.


Wir waren zum Beispiel voller Freude und stolz auf unsere einfachen, aber aufrichtigen Mal- und Bastelversuche. Von Herzen haben wir unsere krakeligen Kunstwerke präsentiert und Bastelarbeiten verschenkt. Mein Vater könnte hier an dieser Stelle von wunderbaren Seidenmalereikrawatten erzählen, die er regelmäßig von mir geschenkt bekommen und diese, wenn ich jetzt zurückblicke, zu meiner Verwunderung auch getragen hat :-).


Mit dem Erwachsenwerden und den zunehmenden Verpflichtungen im Leben kann diese Unbeschwertheit jedoch verblassen, vielleicht völlig in Vergessenheit geraten. Oftmals leben wir in einer Art "Funktionsmodus", der sich an gesellschaftlichen Kriterien entlanghangelt. Kleine Verrücktheiten werden entweder von uns selbst direkt gemaßregelt oder spätestens, wenn der erste wertende Kommentar von außen kommt, wieder fallengelassen.


Wenn ich mich spontan für ein paar Dinge entscheiden müsste, an die ich gerne zurückdenke, dann sind das meine Märchenkassetten, das Rollschuhlaufen, das Ausmalen von Malbüchern und das Basteln von Edelsteinbäumchen. Doch sind diese Dinge wichtig, spielen sie irgendeine Rolle für mein jetziges Leben? Ja, finde ich!



Ressourcen aus der Kindheit für das Hier und Jetzt


Oft begreifen wir unser Selbst nur in dem Lebensjahrzent, in dem wir uns gerade befinden. Als würden wir auf dem Zeitstrahl unseres Lebens nur eine Richtung kennen: die nach vorne. Woher wir kommen, was uns ausmacht, das wird meist mit jedem Schritt in die Zukunft ein nebulöses Vergessen gehüllt. Wie hilfreich wäre es, das eigene Leben als Kreislauf zu sehen und nicht als lineares Konstrukt und wir uns vor allem erlauben würden, aus jedem Alter die Kräfte mitzunehmen, die uns damals zur Verfügung standen.


Zum Glück kommt das Leben manchmal auf überraschende Weise auf diese versteckten Schätze zurück. Wir stoßen auf den Ort, an dem wir etwas "vergraben" haben, und entdecken, dass diese Gedanken noch immer in uns leben. Der Stein, den wir in Gedanken daraufgelegt haben, ist mit "Moos und Gras" bedeckt, aber er hat nicht unsere Gefühle begraben, die uns mit der Erinnerung verbinden. Fast wirkt es so, als hat er ihnen ein Zuhause und Schutz gegeben.



Es ist nie zu spät, sich seiner kindlichen Gedankenwelt wieder zu nähern und die Erinnerungen daran zurückzuholen.


Vielleicht stellst du dir aber jetzt die Frage, warum du das überhaupt tun solltest? Dazu muss ich einen kleinen Bogen zur Biografiearbeit schlagen, die ganz klar die Kinder- und Jugendzeit als wichtige Lebensstationen benennt.




Generell werden bei der Biografiearbeit oftmals die drei Zeitformen nach dem englischen Philosophen John McTaggart zur zeitlichen Einteilung benutzt:


  • Erinnerung an die Vergangenheit als Lebensbilanz

  • Begleitung in der Gegenwart als Lebensbewältigung

  • Perspektive für die Zukunft als Lebensplanung


Quelle: wikipedia "Biografiearbeit"




In der Zeit des Heranwachsens formt sich unsere Identität, unser Charakter aus vielen Bausteinen zusammen. Ganz unabhängig von guten und auch schlechten Erfahrungen, die uns widerfahren, haben wir alle einen Lebensweg, der einen Anfang und ein Ende hat. Zurückzuschauen an den Anfang und vor allem das Zurückholen glücklicher Momente kann ein Anknüpfungspunkt an Ressourcen sein, die man im Hier und Jetzt vielleicht gut gebrauchen kann.


Die Weihnachtszeit erinnert uns daran, dass unsere Lebensreise viele Facetten hat. Von den ersten Schritten bis zu den Höhepunkten und Herausforderungen unseres Lebens. Vielleicht liegt gerade darin der "Zauber von Weihnachten"? In der Fähigkeit, Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden, um uns stark zu machen für unsere Zukunft. Es ist immer Zeit für Veränderung. Ein schönes Beispiel dazu ist die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens "A Christmas Carol". Vielleicht ist es der Geist der Weihnacht, der uns zu dieser Zeit einen Wink geben möchte, uns wieder mehr auf uns selbst und unsere Kindheitsträume, unsere Lebenswünsche zu besinnen.



Im Rückblick steckt auch immer ein Ausblick.

Susanne Heinen, 2023



 



Dies war ein Blogbeitrag im Rahmen des Blog-Adventskalenders 2023.


24 magische Tage voller inspirierender Geschichten, kreativer Ideen und festlicher Stimmung.


Eine Übersicht aller Türchen findest du in meinem Blogbeitrag "24 Tage im Advent: Rückblick zum Blog Adventskalender 2023".



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