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Zufall und Kunst: Die aleatorischen Verfahren von Max Ernst



"Die Angst vor dem weißen Blatt", diesen Satz hat der Künstler Max Ernst (1891-1976) um die 1920er Jahre geprägt. Diese Angst, den ersten Strich, den ersten Farbfleck auf ein weißes Papier, eine Leinwand zu bringen, hat ihn sein ganzes Künstlerleben umgetrieben. Kaum vorstellbar, denn Max Ernst war einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Dennoch hat er immer mit dieser Angst gerungen und suchte nach Möglichkeiten, seinen Schritt ins Bild durch den Einsatz von Zufallstechniken zu erleichtern. Dadurch hat er ab 1925 einige der bekanntesten Zufallsverfahren entwickelt, die sich nun bald 100 Jahre großer Beliebtheit erfreuen. In diesem Artikel machen wir einen kleinen Ausflug in die Leichtigkeit dieser Zufallstechniken, auch aleatorische Verfahren genannt.


Darum geht es in diesem Artikel:



Was ist ein aleatorisches Verfahren?


Das Wort "aleatorisch" kenne ich persönlich nur im Zusammenhang mit diesen kreativen Zufallstechniken. Es ist kein Wort, das ich in meinem täglichen Sprachgebrauch verwende.


Hier eine kurze Worterklärung:


Aleatorik kommt aus dem Lateinischen und bezieht sich auf das Wort "alea" mit der Bedeutung "Würfel, Würfelspiel. Glücksspiel".


In der Musik wird die Aleatorik als Kompositionsmethode genutzt. Informationen über den Einsatz in der Komposition kannst du hier bei wikipedia finden.


Aleatorische Verfahren sind Verfahren in der Kunst, bei denen der Zufall eine wichtige Rolle spielt. Der Künstler hat dabei nicht vollständig die Kontrolle über das Kunstwerk. Ein aleatorisches Verfahren beschreibt also eine Technik, die ein zufälliges Ergebnis erschafft. Dieser Zufall ist jedoch gerade erwünscht und wird entweder als Basis für eine weitere eigenständige und dann "unzufällige" Arbeit oder lediglich in Ausschnitten für eine andere Arbeit verwendet.


Das Ziel dieser Techniken ist es, dem Kunstwerk einen unvorhersehbaren und spontanen Charakter zu verleihen und so den künstlerischen Ausdruck zu erweitern. Man nutzt bei diesen kreativen Zufallstechniken den niederschwelligen Einstieg in die künstlerische Arbeit. Dieses Experimentieren mit den einzelnen Verfahren macht im ersten Schritt großen Spaß und aus Spaß werden meistens die besten Dinge geboren :-).



Max Ernsts Zufallstechniken: Die Kunst des Unerwarteten


Max Ernst war ein berühmter Künstler des Surrealismus und ein Meister der aleatorischen Verfahren.


Max Ernst, 1968

Er nutzte den Zufall als kreativen Impuls und entwickelte eine Vielzahl von Techniken, um unerwartete und faszinierende Kunstwerke zu schaffen. Einige der bekanntesten Techniken von Max Ernst sind Décalcomanie, Frottage, Collage und Grattage. Die Zufallstechniken, die Max Ernst im Laufe seines Schaffens erfunden oder modifiziert hat, werden in der Grundschule, teilweise auch schon im Kindergarten, im Rahmen des Kunstunterrichts erklärt und eingesetzt.

Bildquelle: wikipedia Ausführliche Informationen zu Max Ernst findest du hier.

Durch die Einfachheit der Techniken findet wirklich jeder einen Zugang, um in irgendeiner Form kreativ zu werden. Es entstehen hier ganz ohne Verkrampftheit künstlerische Werke, ohne den Anspruch, perfekte Ergebnisse und große Kunst abliefern zu müssen.


Hier kommt nachfolgend eine kleine Übersicht über alle Zufallstechniken, die auf Max Ernst zurückzuführen sind. Zu einigen Techniken habe ich schon eigene Blogbeiträge zur Erklärung verfasst, manche warten noch auf die Vollendung :-).



Décalcomanie oder Abklatschen


Die Décalcomanie-Technik von Max Ernst besteht darin, einen Farbabzug oder Farbabklatsch zu erstellen, der entweder für sich als Motiv steht oder in Teilen ins Bild integriert wird.


Dabei wird Farbe auf einen Malgrund aufgetragen und dann eine andere Oberfläche (zum Beispiel eine Glasplatte) daraufgelegt. Diese wird dann angerieben oder angedrückt, um zufällige Muster und Strukturen zu erzeugen. Max Ernst nutzte diese Technik, um surreale Landschaften und traumhafte Kompositionen zu erschaffen.


Wie das genau funktioniert, kannst du in meinem Blogartikel nachlesen.


Abklatschtechnik: "Herbert under water", Susanne Heinen 2023

  • Weitere Informationen zur Décalcomanie findest du bei wikipedia.


  • Décalcomanie-Bildbespiele zu Arbeiten von Max Ernst findest du mit der Google-Suche nach: Max Ernst Décalcomanie


 

Frottage oder Abreiben, Durchreiben


Frottage kommt von dem französischen Wort "frotter", übersetzt "reiben". Frottage ist also, ganz einfach ausgedrückt, eine reine Abreibetechnik, mit der ganze Bilder oder kleine Musterbereiche erstellt werden können. Die Strukturen fließen meist in die Bildkomposition ein und können aber auch alleine für sich stehen. Max Ernst nutzte diese Technik, um interessante Texturen und Muster zu schaffen, die er dann in seine Kunstwerke integrierte.

Wenn du die Technik gerne selbst einmal ausprobieren möchtest, benötigst dazu lediglich:

  • Papier

  • Bleistift, Kohle, Graphitstift, Buntstift oder Wachsmalkreide

  • verschiedene Gegenstände oder strukturierte Oberflächen

Der Gegenstand oder die Struktur wird unter das Papier gelegt, dann wird mit dem weichen Stift/der Kreide leicht und vorsichtig über das Papier gerieben. Das Motiv/Muster wird dadurch auf dem Papier sichtbar.

Max Ernst war der erste Künstler, der die Frottage ab 1925 in seinen Bildern einsetzte und diese Technik auch weiterentwickelte. Ein bekanntes Bild von ihm, das oft in Zusammenhang mit der Frottage erwähnt wird, ist "L'évade" (Der Ausbrecher) aus dem Jahr 1926.


Vermutlich hatte Max Ernst die Inspiration für die Frottage von der Steinabreibung/Trockenabreibung, einer Technik aus der Tang-Dynastie (617/18 bis 907). Max Ernst hat dabei auch gerne mit Naturmaterialien gearbeitet, zum Beispiel Stroh, Farn oder Rinde, die er abgerieben hat.


  • Weitere Informationen zur Frottage findest du bei wikipedia.

  • Frottage-Bildbespiele zu Arbeiten von Max Ernst findest du mit der Google-Suche nach: Max Ernst Frottage Werke


Zur Frottage schreibe ich noch an einem Blogartikel, wo ich dann auch eigene Beispiele zeige. Stay tuned ...

 

Collage oder Zusammensetzen, Kleben


Die Collage-Technik von Max Ernst bezieht sich auf das Zusammenfügen von Materialien wie Zeitungsausschnitten, Tapeten, Stoffen oder Fotografien, um ein neues Kunstwerk zu schaffen. Er nutzte diese Technik, um unerwartete Verbindungen zwischen verschiedenen Materialien und Bildern herzustellen. Dabei hat er oft surreale und traumhafte Welten erschaffen.


Bei einer Collage wird ein Bild wird aus dem Zusammenkleben verschiedener Elemente erschaffen, die auf einer Unterlage kombiniert und aufgeklebt werden. Eine Anleitung, wie du ganz leicht zuhause mit einer Collage beginnen kannst, ohne viel Materialien zu kaufen, findest du in meinem Blogartikel.


Collage: "Wachse wild", Susanne Heinen 2022

  • Weitere Informationen zur Collage findest du bei wikipedia.


 

Grattage oder Abkratzen, Herauskratzen


Grattage kommt vom französischem Wort "gratter", übersetzt "abkratzen". Die Technik wird auch kurz und knapp als Abkratztechnik bezeichnet.


Die Grattage-Technik bezieht sich auf das Kratzen von Farbe oder Gips von einer Oberfläche, um unerwartete Muster und Strukturen zu erzeugen. Es werden einige Farbflächen übereinander gemalt und dann mit einer Klinge oder einem anderen scharfen Gegenstand wieder Teile dieser Malschichten weggekratzt oder abgeschabt. Man verwendet diese Technik für die Erstellung von Strukturen und Formen in Farbflächen.


Die Grattage ähnelt von der Vorgehensweise der Frottage, der Unterscheid liegt lediglich im Malmedium. Während bei der Frottage "trocken", zum Beispiel mit Bleistift, gearbeitet wird, werden bei der Grattage flüssige Farben verwendet.


Max Ernst hat die ersten Versuche mit dieser Technik um 1927 mit Ölfarben gemacht. Unter den Malgrund wurden dann ebenfalls Gegenstände gelegt. Wenn dann über die reliefartigen Abdrücke auf der Leinwand Farbschichten aufgetragen werden, ist der Farbauftrag unregelmäßig. Wenn nach dem Trockenen diese Farbschichten abgekratzt werden, ergeben sich dann auch unterschiedliche Strukturen. Max Ernst nutzte diese Technik, um Landschaften zu schaffen, die scheinbar aus dem Untergrund wachsen oder organische Strukturen zu erzeugen, die wie Pflanzen oder Tiere aussehen.


In seinem Bild "Die ganze Stadt" aus dem Jahr 1935 kannst du einen Eindruck gewinnen, wie Max Ernst diese Technik zur Gestaltung der Stadtmauern genutzt hat. Das Bild ist urheberrechtlich geschützt, weswegen ich es hier leider nicht einbinden kann. Bei Interesse kannst du jedoch über den wikipedia-Eintrag "Die ganze Stadt" den Bildlinks folgen.


Diese Form der Grattage habe ich bis jetzt noch nicht selbst ausprobiert, dafür aber eine abgewandelte Form, die du sicher auch kennst: die Wachsmalkreidenbilder :-).

​Wenn du dich nicht mehr ganz so genau an diese Technik erinnerst, sie gerne selbst einmal ausprobieren möchtest, benötigst dazu lediglich:

  • Papier oder Karton

  • einfache Schul-Wachsmalkreide oder Ölpastell-Kreide

  • einen Gegenstand zum Herauskratzen

Zuerst trägst du die Wachsmalkreide richtig dick nebeneinander oder auch übereinander auf. Danach kommt eine Schicht schwarze Wachsmalkreide als Deckschicht darüber. Jetzt kommt das Spannende: Du kratzt Formen und Muster aus der schwarzen Schicht heraus, darunter kommen dann die bunten Farben zum Vorschein.

Diese schwarzen Bilder mit den ausgekratzten Formen können einen ganz geheimnisvollen und traumhaften Eindruck entstehen lassen. Genau dieser Kontrast von Schwärze und Buntheit schafft diesen besonderen Reiz.


  • Weitere Informationen zur Frottage findest du bei wikipedia.

  • Frottage-Bildbespiele zu Arbeiten von Max Ernst findest du mit der Google-Suche nach: Max Ernst Frottage Werke


Zur Grattage schreibe ich noch an einem Artikel, wo ich dann auch eigene Beispiele zeige. Stay tuned ...

 

Mein Resümee zu den aleatorischen Verfahren


Ich bin ein großer Fan dieser kreativen Zufallsverfahren und jede von Max Ernst entwickelte Technik ist für mich ein Springbrunnen an Ideen. Man kann unerwartete und spontane Kunstwerke erschaffen und gerade dass man nicht immer die volle Kontrolle über das Kunstwerk hat, macht es für mich so spannend. Durch Zufall kann man die Grenzen seiner Kreativität erweitern und auch völlig neue Ausdruckformen finden.


Am schönsten finde ich jedoch die Möglichkeit, dass ich diese Techniken in meinen Kursen bald auch nutzen kann, um genau diese "Angst vor dem weißen Blatt" bei meinen Teilnehmern gar nicht entstehen zu lassen. Die Nutzung der Kreativität im artCounseling ist ein wunderbares Mittel, um wieder Zugang zu seinem eigenen inneren Künstler zu finden und mit diesem dann farbenfroher durchs Leben zu gehen.




Sei dabei und lass deiner Kreativität freien Lauf! Melde dich jetzt unverbindlich per E-Mail in meiner Warteliste für meinen neuen Kreativkurs "Zufall und Kunst" an.


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Der genaue Starttermin steht zwar noch nicht fest, aber das Warten lohnt sich auf jeden Fall😉!


Ich freue mich, zusammen mit dir die Welt der Kreativität zu entdecken.




 

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